Erbschaft- und Schenkungssteuerzwecke

Die Finanzverwaltung setzt im Interesse der Praktikabilität ein einfaches Massenbewertungsverfahren (methodisch überschlägig) nach dem Bewertungsgesetz (BewG) an.

Diese streitanfällige Bewertung zeichnet sich durch einen fehlenden Objektbezug sowie mangelnde Marktnähe aus und kann insbesondere bei komplizierten Sachverhalten zu einer Erhöhung der Bemessungsgrundlage für die Erbschafts- und Schenkungssteuer führen. Die Öffnungsklausel nach § 198 Bewertungsgesetz (BewG) ermöglicht dem Steuerpflichtigen den Nachweis, dass der gemeine Wert (Markt- und Verkehrswert) der wirtschaftlichen Einheit am Bewertungsstichtag niedriger ist. Grundlage sind die im § 199 Abs. 1 des Baugesetzbuchs (BauGB) erlassenen Vorschriften in Verbindung mit der Immobilienwertermittlungsverordnung (ImmoWertV).

Ein qualifiziertes Wertermittlungsgutachten kann den Bescheid über die gesonderte Festsetzung des Grundbesitzwertes des Finanzamtes widerlegen. Die Finanzverwaltung beschränkt die Gutachterqualifikation zum Nachweis des niedrigeren Markt- und Verkehrswerts i. d. R. auf die Qualifikation der öffentlich-bestellten und vereidigten Sachverständigen. Der Gutachterausschuss, das Ortsgericht oder freie Sachverständige werden in den erlassenen Vorschriften nicht erwähnt.

Grundstücksübertragung in Verbindung mit Nießbrauch sowie Wart-/ Pflegevereinbarung

Bei der vorweggenommenen Erbfolge ist die gängige Praxis, dass der Übergebende sich ein Nießbrauch an dem Grundstück vorbehält. Gleichzeitig wird in vielen Fällen vereinbart, dass der Übernehmer (i. d. R. die Kinder) sich verpflichten, ihre Eltern im Alter oder bei Krankheit zu pflegen.

Die Auswirkungen des Nießbrauchs sowie die Vereinbarung einer Wart- und Pflegevereinbarung haben einen erheblichen Einfluss auf die Erbschafts- und/oder Schenkungssteuer und können die Steuerlast deutlich reduzieren.

Nachfolgendes verkürztes Bewertungsbeispiel soll dies verdeutlichen

Zur Vorlage beim Finanzamt zwecks Ermittlung der Schenkungssteuer wurde ein Gutachten in Auftrag gegeben, welches als Grundlage für die Ermittlung der Steuerlast für den Erwerber dient. Mit der Übergabe des Eigentums wurde zugunsten der Übergeber ein lebenslanges Nießbrauchrecht bewilligt. Gleichzeitig wurde vereinbart, dass der Übernehmer (im vorliegenden Bewertungsfall eine nicht verwandte Person) sich verpflichtet, den Übergebenden im Alter oder bei Krankheit zu pflegen. Die Eheleute leben im gesetzlichen Güterstand, sind 76 und 75 Jahre alt, kinderlos und lebende Angehörige sind nicht vorhanden.

Ausgangssituation zum Stichtag verkürzte Zusammenfassung der wichtigsten Objektdaten

In Bezug auf die Mikrolage handelt es sich um ein gutes Wohngebiet des äußeren Stadtbereichs eines Mittelzentrums mit überwiegend offener Bauweise. Es bestehen gute Einkaufsmöglichkeiten sowie Verkehrsanschluss. Das Grundstück ist bebaut mit einem unterkellerten, eingeschossigen Einfamilienhaus nebst nicht ausgebautem Dachgeschoss, Baujahr 1986. Die Wohnfläche beträgt 126 m². Die Marktgängigkeit wurde aufgrund der Lage, des Objektcharakters, der Objektgröße, des Unterhaltungszustandes und vor dem Hintergrund der Nachfrage am Wertermittlungsstichtag als durchschnittlich eingestuft. Der lastenfreie Markt- und Verkehrswert wurde mit 520.000 € ermittelt.

Erbschafts- und/oder Schenkungssteuer

Für nicht Verwandte sieht § 16 Abs. 1 ErbStG einen Steuerfreibetrag von 20.000 € vor. Diese Personengruppe ist der Steuerklasse III zuzuordnen und die Schenkungssteuer wird vom Finanzamt mit 30% veranschlagt. Ausgehend von dem lastenfreien Verkehrswert (d. h. ohne Nießbrauch, Wart- und Pflegevereinbarung) in Höhe von 520.000 € sowie dem Freibetrag beträgt die Schenkungssteuer 150.000 €.

In dem vorgenannten Bewertungsfall wurde die kapitalisierte Wart- und Pflegeverpflichtung mit 126.977 € und der Werteinfluss des Nießbrauchs mit 197.919 € berechnet. Der Verkehrswert i. S. d. § 194 BauGB (unter Berücksichtigung grundstücksbezogenen Rechte und Belastungen, d. h. Nießbrauch, Wart- und Pflege)  wurde mit rd. 195.000 € ermittelt. Durch die vorgenannten Vereinbarungen konnte die Schenkungssteuer von 150.000 € auf 52.500 € reduziert werden. Die Steuerersparnis beträgt somit 97.500 €.

Marktgerechte und praxisorientierte Bewertung des Nießbrauchs sowie Wart- und Pflegevereinbarung

Nießbrauch

Beim Nießbrauch handelt es sich um ein umfassendes Nutzungsrecht. Die gesetzlichen Grundlagen des Nießbrauchrechts sind in §§ 1030 bis 1089 BGB geregelt. Der Eigentümer des belasteten Grundstücks nimmt während der Laufzeit des Nießbrauchs keine Mieten (ggf. fiktive Miete) ein. Diese stehen dem Nießbraucher un-entgeltlich zu. Der Barwert des Mietausfalls stellt die Wertminderung durch das Nießbrauchrecht dar. Er ergibt sich durch Kapitalisierung der für den Grundstückseigentümer nicht erzielbaren Mieten über die Restlaufzeit des Nießbrauchs. Neben den rein rechnerisch ermittelten wirtschaftlichen Auswirkungen ist der unbelastete Verkehrswert im Allgemeinen zusätzlich noch mittels eines Marktanpassungsabschlags zu korrigieren. Dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Kaufpreisüberlegungen eines potenziellen Käufers maßgeblich durch die Unsicherheiten der statistischen Lebenserwartung der nießbrauchsberechtigten Personen beeinflusst werden.

Wart- und Pflegeverpflichtung

Zu unterscheiden sind zum einen Hilfsverpflichtungen im Sinne von Wart. Dies umfasst im Wesentlichen die hauswirtschaftliche Versorgung und weiche Faktoren des sich „Kümmerns“ allgemein. Zum anderen gibt es die Pflegeverpflichtungen im Sinne einer Laienpflege.

Häufig findet man in Übergabeverträgen folgende Formulierung:
„Der Erwerber hat den Übergeber seinen Bedürfnissen entsprechend, besonders bei Krankheit und Altersgebrechen, zu warten und zu pflegen, Kleidung und Wäsche zu reinigen, die tägliche Tischkost zuzubereiten und sonstige Hausarbeiten zu verrichten und alles zu tun, was das geistige und leibliche Wohl des Übergebers erfordert, soweit er selbst hierzu nicht mehr in der Lage ist.“

Unter Wart sind Hilfsverpflichtungen zu verstehen, die unabhängig von einer Pflegebedürftigkeit im Sinne des Pflegeversicherungsgesetzes SGB XI anfallen können. Im Gegensatz dazu beziehen sich Pflegeverpflichtungen auf den Begriff der Pflegebedürftigkeit, wie er in § 14 SGB XI definiert ist. Die vom Verpflichteten zu erbringenden Leistungen verstehen sich als Laienpflege. Professionelle Pflegeleistungen werden von Fachkräften z. B. des ambulanten Dienstes übernommen und sind nicht Gegenstand der vorliegenden Betrachtung. Der Aufwand im Rahmen einer Wart- und Pflegeverpflichtung steigt jedoch zweifelsohne bei Eintritt von Pflegebedürftigkeit, auch wenn professionelle Unterstützung vorhanden ist.

Berechnungsbeispiel verkürzte Darstellung
Eine detaillierte Darstellung der Berechnungen nebst Begründungen würde den Rahmen an dieser Stelle sprengen.

Fazit
Gemäß dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung e.V. werden in Deutschland jährlich ca. 400 Mrd. € vererbt. Ein wesentlicher Teil in Form von Grundbesitz. Nach Schätzung vom Verband Haus & Grund liegen die zu versteuernden Immobilienwerte 20 bis 30 % höher als 2022. Soweit die Kinder des Erblassers nicht selbst in dem geerbten Haus wohnen möchten oder der Steuerfreibetrag nicht ausgeschöpft ist, sind die Erben hiervon nicht betroffen. Allerdings sind in mittleren oder hochpreisigen Lagen bereits bei durchschnittlichen Reihenhäusern die Freibeträge schnell überschritten.

Das Team von Margraf & Partner Immobilienbewertung, mit Sitz im Rhein-Main-Gebiet, besteht aus drei qualifizierten Sachverständigen und einer Volljuristin. Seit 2008 bewerten wir bundesweit Immobilien aller Immobilienarten und Bewertungszwecken. Herr Margraf ist Mitglied im Expertenrat Immobilienwirtschaft der IHK Offenbach.

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